Geschichte des Alten Landes

Das Alte Land ist geologisch noch recht jung: es entstand erst nach der letzten Eiszeit ab etwa 10000 vor Christi. Durch die Gezeiten der Elbe wurde diese Region immer wieder überflutet, das Wasser trug dabei kleinste Teilchen, sogenannte Sink- und Schlickstoffe mit, die sich langsam Schicht für Schicht ablagerten. Die Uferzonen erhöhten sich dabei stärker als das Hinterland, so dass auch heute noch ein “Gefälle” zu erkennen ist: direkt an der Elbe bis 2 Meter über NN und an den Geesträndern bis 1,5 Meter unter NN. Die ältesten Besiedelungsspuren sind aus der Zeit 2000 vor Christi. Seit dieser Zeit ist das Alte Land durchgängig besiedelt gewesen, allerdings war die Besiedelungsstärke sehr unterschiedlich, jedes Mal wenn Sturmfluten die Region verwüsteten, verließen natürlich viele Menschen das Gebiet.
Wichtig für die Kultivierung ist das 12. Jahrhundert. Die Bremer Erzbischhöfe, die damaligen Landesherren, riefen holländische Siedler als Lokatoren in diese Region, damit sie gemeinsam mit einheimischen Siedlern Deiche bauten und kleine Entwässerungsgräben zogen, so dass fruchtbares Siedland entstand. Aufgeteilt in sogenannten Holländerhufen bekam jeder Siedler 24 Hektar Fläche. Außerdem wurde ein Holländerrecht eingeführt, dass den Kolonisten freien Stand, freie Erbleihe, eigene niedere Gerichtsbarkeit, niedrige Abgabelast und eine eigene Kirche versprach. Dies erkennt man noch heute: auf 7 Kilometern entlang der Lühe gibt es vier Kirchen: St. Johannis in Neuenkirchen, St. Bartholomäus in Mittelnkirchen, St. Martini und Nicolai in Steinkirchen und St. Marien in Grünendeich.
Holländischen Einfluß findet man auch heute noch an vielen Stellen, zum Beispiel die Namensgebung mit “cope” in den Ortsnamen Francop, Nincop, Ladekop und Thitgeriscoph, dem früheren Namen des Ortes Hollern. In diesem Zusammenhang darf natürlich auch die Hogendiekbrücke, eine nachgebaute Holländerklappbrücke, nicht vergessen werden, die die Orte Mittelnkirchen und Steinkirchen über die Lühe verbindet.
Die unmittelbare Nähe zum Wasser brachten den Altländern nicht nur fruchtbares Land, sondern auch zahlreiche Sturmfluten und damit Verpflichtungen. Getreu dem Sprichwort “Wer nicht will deichen, der muß weichen” gab es ein strenges Deichgericht, dass die Instandhaltung und Pflege der Deiche kontrollierte. Es herrschte Pfanddeichwirtschaft, die jedem Grundeigentümer ein Stück “guten” und ein Stück “bösen” Deich zuwies, der zu nutzen, aber vor allem zu pflegen war. Wer seiner Deichpflege nicht nachkam, der hatte mit harten Strafen zu rechnen, was Vertreibung bedeuten konnte. Das Borsteler Wappen mit dem im Deich steckenden Spaten erinnert heute noch an die damalige Zeit.
Gelebt haben die Altländer früher hauptsächlich von Ackerbau und Viehzucht. Daher findet man im Alten Land auch die typischen niederdeutschen Fachhallenhäuser, deren Aufteilung ganz eng mit der Bewirtschaftung in Zusammenhang steht. Im vorderen Teil des Hauses hat die Bauernfamilie gelebt, im hinteren Teil war das Vieh untergebracht, zum Beispiel Kühe, Pferde, Schweine, Enten und Gänse. Der Boden diente als Lagerraum zum einen für Heu und Stroh, zum anderen für Getreide.
Obstanbau, für den das Alte Land heutzutage so sehr bekannt ist, gibt es nachweislich seit dem 13. Jahrhundert, allerdings nur in sehr begrenztem Umfang. Eine stärkere Intensivierung gab es dann ab dem 17. Jahrhundert, als der Obstbau zu einem wichtigen Erwerbszweig wurde. Die Gründe hierfür sind sehr vielfältig: zum einen eignet sich das raue Nordseeklima und der fruchtbare Boden sehr für den Anbau, außerdem war mit dem Obstbau eine stärkere Intensivierung der Fläche möglich, der wichtigste Grund war aber die Nähe zu großen Absatzmärkten: Hamburg liegt direkt vor der Tür! Viele Bauern besaßen kleine Flachbodenschiffe, die sogenannten Ewer, und eine Anlegestelle an den kleinen Flüssen gehörten früher genau wie die Deichpflege zu jeder Betriebsstelle. So konnte das Obst schnell auf die Ewer verladen werden und zum Beispiel über die Lühe und die Elbe frisch verschifft werden: Hamburg, Berlin, bis nach Königsberg wurde Altländer Obst verkauft.

Der damit verbundene Wohlstand ist auch heute noch an den wunderschön bunt ausgemauerten Gefachungen der vielen Fachwerkhäuser sichtbar. Besonders sehenswert ist der älteste Speicher in Guderhandviertel oder auch das Kolster’sche Haus in Steinkirchen von 1618, das Beginnjahr des Dreißigjährigen Krieges. Andere Zeichen des früheren Wohlstandes sind die einzigartigen Altländer Prunkpforten, die auch heute noch vereinzelt im Alten Land zu finden sind. Um eine solche Pforte vor den Hof bauen zu dürfen, musste ein Betrieb früher mindestens 25 Hektar bewirtschaften. Besonders schön sind die Palm’sche Pforte in Neuenfelde, die Rieper’sche Pforte in Jork oder auch die Pforte der Familie von Schassen in Twielenfleth.
Dies war ein kleiner Ausflug durch die Geschichte des Alten Landes, einen großen Ausflug durch die Vielfältigkeit dieser einzigartigen Kulturlandschaft bieten Ihnen jeden Sonntag die Altländer Gästeführerinnen in der historischen Festtagstracht an. Diese Führungen finden abwechselnd in folgenden Orten statt: Estebrügge, Jork, Borstel, Steinkirchen und Twielenfleth.